20 bis 25 LKW stauten sich im schlimmsten Fall jeden Morgen vor den Werkstoren der Adolf Würth GmbH & Co. KG im schwäbischen Künzelsau. Die Wartezeiten waren mindestens ebenso lang wie die Gesichter der Lkw-Fahrer, die sich täglich aufs Neue in die Schlange einreihen mussten. Mit Zeitfenstermanagement hat das schwäbische Handelsunternehmen die Situation in den Griff bekommen.
Würth ist kein Einzelfall. Seit Jahren stehen vor allem die Handelsrampen immer wieder in der Kritik. Mehr als 60 Prozent der Spediteure klagen einer Studie der Kölner SCI Verkehr über lange Abfertigungszeiten an den Handelsrampen, in der Industrie sind es nur 14 Prozent. Große Hoffnungen setzen alle Akteure in webbasierte Zeitfenstermanagement-Systeme. Das Bundesamt für Güterverkehr empfiehlt in einem Sonderbericht zur Situation an der Laderampe die Vergabe von Zeitfenstern sogar als „erfolgversprechendste“ Maßnahme zur Entschärfung der Rampenproblematik.
Pionier beim Zeitfenstermanagement
Pionier in Sachen Zeitfenstermanagement ist die Adolf Würth GmbH & Co. KG, Spezialist im Handel mit Montage- und Befestigungsmaterial. Mehr als 100.000 Produkte sind im Sortiment des schwäbischen Familienunternehmens gelistet – von der Schraube, über chemisch-technische Produkte und Werkzeuge bis hin zu Arbeitskleidung vertreibt der Außendienst alles, was Handwerker oder Industriekunden brauchen. Insgesamt 450 Tonnen Ware kommen täglich an den Rampen des Handelsunternehmens an. Allein im Hauptwerk Künzelsau wollten nicht selten 20 Spediteure zeitgleich um 7 Uhr früh abladen. „Mit dieser Situation wollten wir uns keinesfalls abfinden“, erzählt Würth-Wareneingangsleiter Richard Wunderlich. Dem Unternehmenschef und Inhaber Reinhold Würth soll die Auflösung des Lkw-Staus sogar ein persönliches Anliegen gewesen sein. Anfang 2009 war das Maß dann endgültig voll, und es fiel die Entscheidung für ein Zeitfenstermanagementsystem.
Die am Markt verfügbaren Systeme funktionieren ähnlich. Sie werden meist mit Schnittstelle zum Enterprise-Ressource-Planning-System (ERP) des Rampenbetreibers oder als Stand-alone-Version betrieben. In die elektronischen Stundenpläne für die Rampe stellt der Warenempfänger seine freien Ladetermine ein, die Spediteure buchen ihre Wunschlieferzeit und zahlen dafür eine Buchungsgebühr. Die Frachtführer benötigen keine technische Infrastruktur, ein Internetzugang genügt.
Schnelle Systemauswahl
Nach einem Vergleich der Systeme habe man sich schnell für Cargoclix entschieden, erzählt Bernd Arnold, bei Würth Prozessentwickler in der Logistik. Bekannt ist Cargoclix mit Sitz in Niefern für seine Logistik-Ausschreibungsplattform, auf der mehr als 20.000 Nutzer registriert sind. Zweites großes Geschäftsfeld ist die Zeitfensterlösung „Time Slot“, die branchenübergreifend bei Unternehmen wie Daimler, Develey, Bosch, Müller Drogerie, MEG, Gerolsteiner oder Douglas im Einsatz ist.
Ein offenes System sei wichtig, erklärt IT-Fachmann Arnold. Man profitiere schlicht davon, wenn eine solche Anwendung permanent von allen Usern weiterentwickelt werde. „Flexibel, transparent und ein guter Eindruck“, antwortet er auf die Frage nach dem Grund für die Wahl, und ergänzt: „der günstige Preis von 50 Cent.“ Alles andere wäre nicht in Frage gekommen, betont Wunderlich, denn es gebe weder einen technischen noch einen anderen vernünftigen Grund, den Spediteuren mehr Geld abzuverlangen. In dem Betrag enthalten sind sämtliche Buchungsvorgänge, Datentransfers und ein kostenloser Support für Industrie, Handel, Spediteure und Frachtführer.
Buchungen von 60 Spediteuren – kein Problem
Würth-Hausspediteur für alle innerdeutschen Stückgutverkehre ist DHL, die Mehrzahl aller Lieferungen kommen dennoch frei Haus an. Das heißt, Würth hat keine Verträge mit den Spediteuren und Frachtführern. Deren Reaktionen auf das neue System seien durchaus unterschiedlich gewesen. „Warum erst jetzt, sagten die Österreicher, die Deutschen waren zunächst skeptisch“, erzählt Arnold mit einem lachenden Auge.
In dem gewachsenen Werk in Künzelsau werden an fünf unterschiedlichen Abladestellen insgesamt 25 Rampen mit den elektronischen Stundenplänen organisiert. Das macht täglich etwa 80 Buchungen durch 60 verschiedene Spediteure. Demnächst werden auch die Rampen im Logistikzentrum Adelzheim an das Zeitfenstermanagement angeschlossen.
„Die Anmeldung eines Zeitfensters ist Pflicht“, erklärt Wunderlich. In der Praxis wird ein nicht angemeldeter LKW zwar auch abgeladen, muss allerdings längere Wartezeiten in Kauf nehmen. An den Würth-Toren werden dazu zunächst alle ankommenden LKW durch den Pförtner erfasst. Name des Fahrers, des Unternehmens sowie das Kennzeichen des Fahrzeugs sind bereits im System hinterlegt oder der Pförtner ergänzt die Daten, etwa wenn der Fahrer gewechselt hat. Ab dann läuft die Uhr. Verlässt das Fahrzeug das Gelände wieder, wird der letzte Status aktiviert und der Prozess ist abgeschlossen.
„Wie lang ein Zeitfenster ist, kann jeder Rampenbetreiber selbst bestimmen“, erklärt Dr. Victor Meier, Geschäftsführer von Cargoclix. Bei Würth ist das von der Anzahl der Paletten abhängig. Die Dienstleister geben bei der Buchung an, wie viele Paletten sie anliefern. Das System ermittelt dann automatisch die Länge des Zeitfensters, die für diese Palettenzahl nötig ist. „Diese Anforderung war damals schon eine Herausforderung, heute ist die Funktion Standard im System und wird auch von anderen Unternehmen genutzt“, berichtet Meier.
Aber nicht nur die Rampen werden per Zeitfenster geplant, sondern die komplette Standortverwaltung, also auch der PKW-Verkehr auf dem Gelände. Für Besucher, die mit ihrem Auto auf das Gelände fahren wollen, bucht der Pförtner ein virtuelles Zeitfenster.
Überschaubare Investitionen, hohe Akzeptanz
Etwa 30 Personen arbeiten bei Würth mit dem System: an den drei Wareneingangspforten, den fünf Annahmestellen sowie einige User in der Lagersteuerung. Ein Großteil der Hardware sei vorhanden gewesen, nur der Internetzugang musste freigeschaltet werden. „Eine überschaubare Investition, die uns sehr viel gebracht hat“, fasst Arnold zusammen. „Wir haben einen geregelten Abladefluss, eine bessere Verteilung auf den Tag, keine Staus mehr vor den Zufahrten und auch die durchschnittliche Wartezeit beträgt nur noch maximal eine Stunde.“ Problem gelöst.